„Uns ist egal, ob sie Atomwaffen besitzen“
Spitzt sich die Lage zwischen der Atommacht Pakistan und dem von den Taliban regierten Afghanistan zu?
Die Anzeichen verdichten sich: In der Grenzregion kommt es seit Tagen zu Angriffen und Vergeltungsaktionen. Besonders verheerend war ein pakistanischer Luftangriff im Osten Afghanistans am 24. Dezember, bei dem mindestens 46 Menschen ums Leben kamen.
Laut pakistanischen Sicherheitskreisen zielten die Angriffe mit Kampfjets und Drohnen auf „Terroristenverstecke“ jenseits der Grenze.
Taliban stationieren 15.000 Kämpfer an der Grenze
Laut einem Sprecher der Taliban-Regierung waren die meisten der 46 Todesopfer Frauen und Kinder. In Reaktion darauf hat die radikalislamische Führung nach Berichten britischer Medien 15.000 Kämpfer sowie militärisches Gerät an die Grenze verlegt.


Die Taliban reagierten mit einer ersten militärischen Antwort: Nach eigenen Angaben zerstörten sie „mehrere“ pakistanische Stellungen entlang der umstrittenen Grenze. Zudem detonierten an Silvester mehrere Straßenbomben, die ein Kind töteten und ein Polizeifahrzeug zerstörten.
Taliban-Vertreter erklärten gegenüber dem britischen Telegraph, sie seien auf jede Eskalation vorbereitet. „Es ist uns egal, ob sie eine Atombombe haben – wir haben Vertrauen und wissen, dass Gott mit uns ist“, sagte ein hoher Taliban-Beamter.
Pakistans Regierungschef Shehbaz Sharif (73) zeigte sich unbeeindruckt. Vor seinen Ministern warnte er, dass die Taliban „rote Linien“ überschritten hätten, und erklärte: „Wir werden die Souveränität Pakistans um jeden Preis verteidigen.“

Warum ist der Konflikt eskaliert?
Die Regierung in Islamabad beschuldigt die afghanischen Taliban, ausländischen Kämpfern Schutz zu gewähren und ihnen zu ermöglichen, ungehindert Angriffe auf Pakistan von afghanischem Boden aus zu planen.
Besonders im Fokus steht die pakistanische Taliban-Gruppe Tehreek-e-Taliban Pakistan (TTP), die Berichten zufolge von den afghanischen Taliban durch Waffenlieferungen gestärkt wurde. Seit der Machtübernahme in Kabul 2021 hat die TTP eine Welle tödlicher Terroranschläge in Pakistan verübt. Allein im Jahr 2024 registrierte das Center for Research and Security Studies 444 Angriffe auf pakistanische Sicherheitskräfte, bei denen mindestens 685 Menschen getötet wurden.
Ein aktueller Bericht des UN-Sicherheitsrats schätzt, dass sich bis zu 6500 TTP-Kämpfer in Afghanistan verstecken. „Die Taliban betrachten die TTP nicht als terroristische Gruppe“, so der Bericht. Nach ihrer Machtübernahme sollen sie zudem zahlreiche TTP-Kämpfer aus den Gefängnissen freigelassen haben.
Hintergrund: Während des US-geführten Kriegs gegen den Terror nach den Anschlägen vom 11. September 2001 hatte Pakistan die Taliban heimlich unterstützt. Berichten zufolge spielte Islamabad sogar bei der Machtübernahme der Islamisten im Jahr 2021 eine entscheidende Rolle.
Drei Jahre später hat sich das Blatt gewendet: Die Regierungen in Islamabad und Kabul stehen sich nun als erbitterte Feinde gegenüber.